Drittes Reich und Zerstörung | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der Weg in die Zerstörung kann nur durch die geschichtliche Entwicklung im Reich gesehen werden. Der unvorstellbare wirtschaftliche Niedergang, - im Jahre 1932 betrug die Arbeitslosenzahl bereits 5.109.000-, und die Unfähigkeit der politischen Parteien in der Weimarer Republik waren sicher mit ein Teil der verhängnisvollen Entwicklung. Vor ihrem Machtantritt 1933 hatte die NSDAP in Meerbeck nur eine schmale Anhängerbasis. Unter den Bergleuten fanden die Nationalsozialisten nur wenig Zuspruch. Wie hat sich nun die politische Entwicklung in Meerbeck vollzogen? Der geringe Anteil der Arbeiterschaft an den Stimmen für die NSDAP kommt auch im Vergleich zur Reichstagswahl von 1928 zum Ausdruck. Die beiden großen Arbeiterparteien gehen, bezogen auf das gesamte Moerser Stadtgebiet, lediglich von 39,6 auf 35,6 Prozent zurück. Die Radikalisierung der Arbeiterschaft in Moers drückt sich eher in der Umkehrung des Stimmenverhältnisses zwischen SPD und KPD aus. Die SPD sinkt von 3208 auf 2216, die KPD verbessert sich von 1780 auf 3298 Stimmen.
Am 30. Januar 1933 ernannte der Reichspräsident den Führer der NSDAP, Adolf Hitler, zum Reichskanzler. Mit seiner Berufung zum Reichskanzler leitete Hitler die Phase der nationalsozialistischen Machtergreifung ein, die im Wesentlichen am 2. August 1934 mit der Übernahme auch des Präsidentenamtes durch den " Führer und Reichskanzler " Hitler und die Vereidigung der Reichswehr auf die Person Hitlers als den " Obersten Befehlshaber der Reichswehr abgeschlossen war.
Wesentliche Schritte auf dem Weg zur Diktatur waren die Gleichschaltung der Länder und die Gleichschaltung der gesellschaftlichen Organisationen. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand am 27. März 1933 wurde die schon faktisch ausgeschaltete KPD verboten, am 22. Juni die SPD; die bürgerlichen Parteien wie etwa die DNVP oder das Zentrum lösten sich selbst auf. Durch das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juni 1933 und das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Staat und Partei vom 1. Dezember 1933 wurde die NSDAP zur einzigen zugelassenen Partei und Deutschland zum Einparteienstaat. Die Gleichschaltung von Staat und Partei war damit formal verwirklicht. Schwerwiegend waren neben den Verboten der Parteien und ihrer Nebenorganisationen und Vereinen die Vernichtung der Gewerkschaften und die Zwangseingliederung aller Betriebszugehörigen in die Deutschen Arbeitsfront (DAF).
Die Hitlerjugend (HJ) war straff organisiert und in zwei Altersgruppen sowie nach Geschlecht untergliedert: in die eigentliche HJ (14 bis 18-jährige Jungen), dass Deutsche Jungvolk (10-bis 14-jährige Jungen), die Deutschen Jungmädel (10-bis 14-jährige Mädchen) und den Bund deutscher Mädel (BDM, 14 - bis 18-jährige Mädchen).
Bereits 1936 wurde der Samstag zum " Staatsjugendtag " erklärt. Die Pimpfe brauchten nicht zur Schule, sie machten ihre zwei Stunden von 10 bis 12 beim Jungvolk. Die Uniformen waren einheitlich, bestanden aus schwarzer Hose, braunem Hemd und schwarzem Halstuch mit Lederknoten. Koppel und Schulterriemen waren Pflicht. Die Mädchen trugen weiße Blusen und einen dunkelblauen Rock. Das Tragen von Uniformen wurde von den bündischen Jugendverbänden beziehungsweise von der sozialistischen Arbeiterjugend übernommen und von der sozialistischen FDJ in der damaligen DDR weitergeführt. Für den Erwerb der Uniformen gab es besondere Bezugsscheine, ohne Punkte von der Kleiderkarte. Wie erlebte ich nun die Zeit im Jungvolk? Zunächst gab es Schwierigkeiten Zuhause, es mussten ja 25 Pfennig Monatsbeitrag gezahlt werden, und die bekam ich von meinen Eltern nicht. Ob es an den 25 Pfennig gelegen hat? Geld war ja knapp.
Am 29. April 1934 fand unter großer Beteiligung der Bevölkerung die Einweihung des Ehrenmales statt. In der jüngeren Generation wurden die Klassengegensätze nun nicht mehr mit der Selbstverständlichkeit als unüberbrückbar erfahren, wie dies während der 20er und frühen dreißiger Jahre der Fall gewesen war. Bergleute, die 1933 bereits erwachsen waren, beurteilten das NS-Regime und seiner Aufrüstungspolitik oftmals skeptisch und zurückhaltend. In der Regel tat man sich in der Meerbecker " Kolonie " gegenseitig nichts. Nur ein ganz geringer Teil aus den verbotenen Arbeiterparteien und Gewerkschaften organisierten im Untergrund Widerstand gegen die Nazi-Machthaber. Selbst in der Hochburg der Kolonie Meerbeck- Hochstraß mögen es maximal 50 bis 60 gewesen sein. Eine gebührende Betrachtung bietet das Buch »Tatort Moers« von Bernhard Schmidt und Fritz Burger sowie die Ausstellung »Widerstand und demokratischer Neubeginn« im Altkreis Moers. An nur drei brutalen Vergehen in Meerbeck soll hier erinnert werden. Im Februar 1943 wurde die katholische Meerbecker Familie Leiss ausgelöscht, weil Josef Leiss an der Ostfront angeblich übergelaufen war. Sieben unschuldige Menschen aus der Augusta- und der Ruhrstraße wurden über das Konstrukt der " Sippenhaft " im KZ Sachsenhausen vergast. Unter ihnen zwei hochschwangere Frauen und Marianne Leiss ein dreieinhalb-jähriges Kind. Zum Andenken an die Familie Leiss wurde die ehemalige Eitelstrasse in Meerbeck in Leiss Strasse umbenannt.
Gustav Großmann aus Meerbeck war im Bergarbeiterverband und in der SPD tätig, wurde Knappschaftsältester. Eine Atemwegserkrankung hinderte ihn, politisch aktiver zu sein. Trotzdem wurde er am 9. Juli 1935, einem Samstagabend, verhaftet und bereits am Sonntagmorgen ermordet. Nach ihm ist in den Eicker- Wiesen eine Straße benannt.
Es fällt schwer unseren Kindern angesichts ihrer völligen Unkenntnis der damaligen Vorzeichen, dies im rechten Licht zu sehen und mit der notwendigen Toleranz objektiv zu beurteilen.
In der Nacht vom 1. zum 2. Mai 1942 erfolgte ein feindlicher Großangriff auf Meerbeck, wie wir noch keinen zuvor erlebt hatten. Es fielen unzählige Spreng- und Brandbomben, darunter schwerste Luftminen.
In großer Eile wurde mit dem Bau von Bunkern begonnen. Wo sich Platz bot wurden zuerst Lang-Erdbunker für 30 bis 40 Personen gebaut. Die Ausschachtungsarbeiten wurden von Gemeinschaften, meist Frauen und Kinder, durchgeführt. Ein sicherer Schutz war der vom Moerser Architekten Eberlein entwickelte Rundbunker, den sogenannten Moerser Topf. Dabei handelte es sich um einen in die Erde eingelassenen Rund-Bunker mit einer Mittelsäule und einer starken Decke. Er bot jeweils zehn bis zwanzig Personen Schutz und war deshalb in kleineren Gemeinschaften schneller zu erstellen. Als Gegenstück gab es den übererdigen Betonpilz, den Moerser Hut.
Durch die Nähe zum Treibstoffwerk wurde die Angst vor Bombenabwürfen immer größer. Seit dem Februar 1942 untersteht die britische Luftwaffe dem Luftmarschall Arthur D. Harris. (»Bomber- Harris«). Er lässt die Bomber nicht mehr in Wellen angreifen, sondern verlangte massierte Flächenbombardierung.
Im April 1943 gab es große Totalschäden an den Häusern nördlich der Bismarckstraße.
Immer wieder erfolgten schwere Bombenangriffe mit dem Ziel auf das Treibstoffwerk. Eine im Binsheimer- Feld errichtete Scheinanlage sollte die Angriffe ablenken. Ein Wahnwitz zu glauben die Alliierten wären nicht im Besitz von genauem Kartenmaterial gewesen. Darüber hinaus gaben die immer häufiger werdenden Tagesangriffe eine gute Sicht.
Eine neue Bombardierungstaktik führte Harris ein. Sie wurde Schüttel-Taktik deshalb genannt, weil in drei Gruppen angegriffen wurde: Beleuchter, Zielmarkierer, Bombenwerfer. Die Bevölkerung war immer schwereren Bombenangriffe ausgesetzt. Am 17. und 25. Juni wurden große Teile der Tagesanlagen von Rheinpreußen Schacht V zerstört. Die schon stark zerstörte Sankt Barbara Kirche wurde bei einem Angriff am 20. Juli durch eine Luftmiene total zerstört. Bei einem Nachtangriff am 21. Juli wurden wieder das Treibstoffwerk, Schacht V und die Kolonie heimgesucht. Am 25. Oktober fielen unter anderem allein auf das Treibstoff 967 Tonnen Bomben. Das Geschehen ist kaum zu schildern, in das Schießen der Flak donnern die Bombenaufschläge in unmittelbarer Nähe. Und dann hält es sich dran, eine Bombe nach der anderen. Es heult und kracht. Bald ist kaum noch die Flak zu hören. Alle Augenblicke erschüttert eine Luftmiene den Bunker. Wenn man hoffte, es wäre bald ruhiger, kam wieder eine neue Welle. Einige beteten und es wurde geweint. Im November warfen 479 britische Lancaster Bomber in drei Einsätzen 2.396 Tonnen Bomben auf das Treibstoffwerk und Umgebung. Im Tagebuch der katholischen Schwestern wird berichtet: »am 8. November hieß es im Wehrmachtsbericht " Terrorangriff auf Moers " eigentlich hätte es heißen müssen: auf Meerbeck. Unendlich viele Brandbomben fielen auf unsere Kolonie. Ganz Meerbeck stand in Brand. Es war ein erschütternder Anblick nach Abflug der feindlichen Maschinen die hastenden Menschen zu sehen, wie sie noch ihr hab und Gut retten wollten. In dieser Schreckensnacht waren 70 Tote zu beklagen. Großes Leid ist an diesen Tagen über unsere Kolonie hereingebrochen. Bei diesem Angriff brannte auch unser Vereinshaus bis auf den Boden ab. Den schwersten Angriff den wir erlebten, bekamen wir am 21. November nachmittags 3 Uhr. Es war im Bunker nicht mehr zum Aushalten. Wir erlebten wahre Todesängste. Bombe auf Bombe fiel in unmittelbarer Nähe des Bunkers nieder; eine traf sogar direkt unseren Bunker, schlug aber nicht durch. Wir glaubten nicht, lebend herauszukommen.«
Etwa 200 Luftminen, 9.500 Sprengbomben und 52.000 Brandbomben fielen im Raume Meerbeck und entsprechend groß waren die Verwüstungen. Große Teile von Meerbeck lagen in Trümmern. Meerbeck bot durch die verheerenden Zerstörungen ein trostloses Bild, ein Anblick den niemand zu schildern vermag. Insgesamt trugen die Wohnungen in Meerbeck Schäden bis zu 75 Prozent auf. Die Häuser nördlich der Bismarckstraße waren zu hundert Prozent zerstört. Am 2. März 1945, zwei Tage vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Meerbeck, wurde bei dem wohl letzten Tagesluftangriff der Hochbunker auf dem Treibstoffgelände getroffen. Es waren 78 Tote und zahlreiche Schwerverletzte zu beklagen. Zum Verständnis der traurigen Verluste sei noch erwähnt, dass die Bevölkerung fast nur aus Männern bestand. Anfang November 1944 wurden die meisten Frauen mit den Kindern nach Mitteldeutschland evakuiert.
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